Dreifachkombination „Kaftrio“ von Vertex erhält die EU-Zulassungsempfehlung

Ziemlich breite Zulassung darf erwartet werden

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Stand der vierten Fassung: 20.07.2020:
Hinweise verdichten sich auf Zulassung ohne Einschlussliste für die zweite Mutation, sondern zunächst (vorübergehend!) eine Ausschlussliste. Siehe Punkt 2, letzter Absatz.

Stand der dritten Fassung: 04.07.2020:
1. Ergänzung der Ausschlussliste um Mutationen von Kalydeco und Symdeko (FDA-Zulassung war umfassender). Siehe eingefügte Punkte 3a und 4a.

Stand der zweiten Fassung: 29.06.2020:
1. Konkretisierung der Auslegung, was eine „Minimal function“-Mutation darstellt
2. Entflechtung der Fallgruppen

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat die Zulassungsempfehlung („positive opinion“) ausgesprochen für Menschen mit Mukoviszidose ab 12 Jahren, die entweder

  • F508del-homozygot sind
    oder
  • F508del auf einem Allel und eine sogenannte minimal funktionale Mutation auf dem zweiten Allel aufweisen.

„Schön“ irritierend ist speziell folgender Satz im Original: „…intended for the treatment of cystic fibrosis in patients aged 12 years and older who are homozygous for the F508del mutation or heterozygous for the F508del in the CFTR gene with a minimal function mutation (MF) (corresponding to either no production of a CFTR protein or a CFTR protein that is not responsive to ivacaftor and tezacaftor/ivacaftor in vitro).“

Der englische Satz in Klammern „präzisiert“ also: Eine Minimalfunktion (MF) wird definiert als eine, aufgrund derer kein CFTR-Protein gebildet wird, oder ein CFTR-Protein, das nicht auf Ivacaftor (das ist „Kalydeco“) oder Tezacaftor/Ivacaftor („Symkevi“) im Labor (in vitro!) reagiert.

Alle folgenden Aussagen sind vorläufig, bis die endgültige Zulassung da ist. Sollten sich neue Informationen ergeben, kennzeichnen wir dies mit Datumsangaben.

1. Ich bin F508del-homozygot, bekomme ich das Medikament nach der Zulassung?

Ja, ab dem Alter von 12 Jahren.

2. Ist meine 2. Mutation „minimal funktional“ (MF)?

In dieser Frage haben wir am Tag des Erscheinens obiger Meldung mehrere Gespräche mit Fachleuten gehabt. Die korrekte Beantwortung brennt selbstverständlich vielen Betroffenen unter den Nägeln, ja, wird mithin als Schicksalsfrage empfunden.

Zum heutigen Zeitpunkt können wir aber bereits guten Gewissens auf unseren Mutationsrechner aus 2018 verweisen. Die deutlich über 200 Mutationen, die von Vertex zu den Studien angemeldet worden waren, entsprechen schon einmal sämtlich o.g. „MF“-Definition.

29.06.2020: Grundsätzlich bedeutet „minimal funktional“ im Sinne der Zulassungsempfehlung folgendes:

  • Es handelt sich nicht um eine residuale Funktionsmutation, die auf die bisherige Arzneimittelkombination Symkevi + Kalydeco anspricht
  • Es handelt sich nicht um eine Gating-Mutation, die auf das bisherige Arzneimittel Kalydeco anspricht

Es ist also gut möglich, dass allein diese beiden Bedingungen für die zweite Mutation bereits ausreichen. Dann wäre eine ausführliche Liste nicht erforderlich. Es wäre eine „Alles, außer…“-Definition. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die EMA-Zulassung aussehen wird.

20.07.2020: Von der Studie 445-104 zur Zulassungserweiterung auf ALLE Mutationskombinationen mit mindestens einer F508del wurden jetzt positive Daten veröffentlicht. Das stützt unsere Annahme, dass es keine ausführliche Positivliste geben wird, sondern das Kriterium zunächst F508del + beliebige außer Gating-/Residualfunktionsmutation lauten wird.

3. Was ist, wenn zu meiner Mutationskombination bereits Kalydeco als Monotherapie passt?

[29.06.2020 überarbeitet]

Für Kinder unter 12 Jahren bleibt zunächst alles wie bisher, da Kaftrio-Studien an diesen erst seit kurzem laufen, und zwar wie üblich zunächst für die Altergruppe 6-12 Jahre.

Für ältere Kinder und Erwachsene, die keine F508 del-Mutation auf einem Allel haben, also nur eine sogenannte Gating-Mutation aufweisen, ist derzeit nicht zu erwarten, dass eine Zulassungserweiterung für Kaftrio auf diese Patientengruppe erfolgen wird, weil eine bessere Wirksamkeit nicht zu erwarten sein dürfte.

Für ältere Kinder und Erwachsene, die neben einer sogenannten Gating-Mutation eine F508del-Mutation aufweisen, könnte ab Anfang 2022 eine Zulassungserweiterung für Kaftrio auf diese Patientengruppe erfolgen, wenn eine bessere Wirksamkeit in speziellen, laufenden Studien nachgewiesen werden kann und die Zulassungsbehörde davon ebenfalls überzeugt ist.

3a. Welche Mutationen werden also zunächst nicht für Kaftrio infrage kommen können?

04.07.2020: Unter Einbeziehung der amerikanischen Fachinformation ergibt sich nach unserer derzeitigen Auffassung ein Ausschluss folgender Mutationen: E56K, G178R, S549R, S977F, F1074L, 2789+5G→A, P67L, E193K, G551D, F1052V, D1152H, 3272-26A→G, R74W, L206W, G551S, K1060T, G1244E, 3849+10kbC→T, D110E, R347H, D579G, A1067T, S1251N, D110H, R352Q, 711+3A→G, G1069R, S1255P, R117C, A455E, E831X, R1070Q, D1270N, R117H, S549N, S945L, R1070W, G1349D. Denn hier wurde zumindest in vitro eine Wirksamkeit gesehen.

4. Was ist, wenn zu meiner Mutationskombination bereits die Kombination Symkevi + Kalydeco passt?

[29.06.2020 überarbeitet]

Vorweg: Bei F508del-Homozygotie und Alter ab 12 Jahren gilt: Für diesen Fall wurde die Zulassungsempfehlung ausgesprochen, wie bereits in Frage 1 beschrieben.

In Europa ist die Kombination Symkevi + Kalydeco für Patienten mit F508del + einer aus 14 Residualfunktionsallelen zugelassen. Nach unserem derzeitigem Erkenntnisstand kann hier Kaftrio zunächst nicht zum Einsatz kommen. Der Hersteller muss diesbezüglich weitere Studien einreichen, um eine Zulassungserweiterung zu erwirken, dies soll in Arbeit sein. Auch hier mag ab Anfang 2022 eine solche vorliegen, wenn die Studien die Zulassungsbehörde überzeugen.

4a. Welche Mutationen werden also zunächst nicht für Kaftrio infrage kommen können?

04.07.2020: Unter Einbeziehung der amerikanischen Fachinformation zu Symdeko ergibt sich nach unserer derzeitigen Auffassung ein Ausschluss folgender 26 Mutationen:

E56K, R117C, A455E, S945L, R1070W, 3272-26A→G, P67L, E193K, S977F, F1074L, 3849+10kbC→T, R74W, L206W, D579G, F1052V, D1152H, D110E, R347H, 711+3A→G, K1060T, D1270N, D110H, R352Q, E831X, A1067T, 2789+5G→A

5. Wird es vielleicht weitere Mutationskombinationen als die bisher bekannten geben?

Dies ist nicht auszuschließen und sollte bis zur endgültigen Zulassung noch bekannt werden. Auch, dass es später noch zu Zulassungserweiterungen kommt, ist möglich.

6. Wie geht es weiter?

Erfahrungsgemäß sollten zwischen 27 und 67 Tagen nach dieser Entscheidung die Zulassung inkl. Listung in der sogenannten Lauertaxe (Deutschland) erfolgen.

Sollte die Mutationskombination bei diagnostizierter CF noch gar nicht aktenkundig vorliegen, können wir nur empfehlen, die Zeit bis zur Zulassung zu nutzen, diese bestimmen zu lassen.

7. Warum wird das überhaupt Kaftrio heißen?

Es wird sich wieder – anders als etwa in den USA – um ein sogenanntes Kalydeco-Co-Packaging handeln, man wird also, wie bereits bei Symkevi, zwei Einträge auf einer Verordnung haben. Deshalb heißt es auch nicht Trikafta. Morgens Kaftrio (Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor), abends Kalydeco (Ivacaftor).

3 Kommentare

  1. Erneut sehr gute Aufbereitung. Minimal Function umfasst in der Zulassung wohl gerade auch Klasse 1 Mutationen bei denen kein CFTR Protein hergestellt wird?! Im FDA Antrag waren solche 2. Mutationen aufgeführt. Hoffe auch, dass sie von der EMA Entscheidung erfasst sind.
    Schade nur, dass der Muko e.V. auf seiner Homepage von einer einschränkenden Zulassung spricht und sich nicht zu dem EMA Text in Klammern äußert.

    • Sehr geehrter Herr Dr. Luding, entschuldigen Sie, dass wir heute erst antworten, aber just nach dem Artikel in seiner ersten Fassung hatten wir ein „munteres Wochenende“.
      Nun haben wir das Thema der Zulassungsbreite in der heutigen (29.06.2020) Beitragsaktualisierung noch einmal näher beleuchtet, hoffentlich zu Ihrer Zufriedenheit. Tatsächlich ist ein umfangreiches Bibelstudium hilfreich, wenn solche Zulassungsempfehlungen gut interpretiert werden sollen.
      Mit freundlichen Grüßen
      Kai-Roland Heidenreich

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