Cholin verhilft CF-Fettleber-Patientin zu 70% weniger Fettanteil

Wir berichteten schon vor einiger Zeit über eine Pilotstudie über die Anwendung von Cholin zur Verringerung des Leberfettanteils und einer auch damit einhergehenden Verbesserung der Lungenfunktion.

Anfangsstadium der CF-Lebererkrankung symptomlos

Das ist also das Problem: CF-Patienten mit leichten Leberproblemen haben in der Regel keine Symptome. Patienten mit fortgeschrittener CF-Lebererkrankung haben häufig eine vergrößerte Milz oder Leber.

Im ersten Stadium kommt es aus Gründen, die nur vermutet werden können, zu einer noch rückbildungsfähigen Fetteinlagerung in der Leber.

Vermutung: Cholinmangel aus Ursache

Cholinmangel bei CF ist auf die hohe Ausschüttung von Phosphatidylcholin (PC) aus der Leber über die Galle und dann den Stuhlgang zurückzuführen. Zudem gibt es gestörte Funktion im enterohepatischen Kreislauf aufgrund eines Mangels sogenannter Pankreasphospholiase A2 (pPLaseA2), wo Cholin auch wieder eine große Rolle spielt. Es handelt sich sozusagen um einen Teufelskreis.

Umbauprozesse

Kann das Problem nicht behoben werden, baut sich das Lebergewebe narbig um. Das zu reinigende Blut kommt schwerer durch das Organ.

Mit der Zeit entsteht ein Pfortaderhochdruck (portale Hypertension). Die Pfortader schafft das Blut in die Leber. Es kann zu einer Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum und zu Blutungen aus erweiterten Venen in der Speiseröhre oder im Magen kommen. Bei einigen Patienten kommt es zu einer zusätzlichen Gewichtsabnahme.

Weitere Ursachen

Eine weitere, häufigere Ursache für erhöhte Leberwerte ist ein Gallerückstau und das eingedickte Sekret. Auch das kann mit der Zeit zum Leberumbau führen. Bekannt ist die vorsorgliche Therapie mit Ursodeoxycholsäure, mit der das Gallensekret wieder dünnflüssiger wird. Es gibt Wissenschaftler die den Nutzen bezweifeln, es schadet aber auch nicht – abgesehen davon, dass es schwer ist, dieses Wort richtig auszusprechen… Was wichtig ist: Ein Gallerückstau ist selten der Grund für die weiter oben genannte „klassische“ CF-Lebererkrankung. Die führt manchmal schon in jungen Jahren zu einer Leberzirrhose und Transplantationspflicht.

Weitere Folgen des Cholinmangels

Organe mit hohem Cholinumsatz, wie Leber und Lunge, sind aufgrund ihrer Rolle bei der Gewebefunktion und -regeneration am stärksten von einem solchen Mangel betroffen. Für die Aufrechterhaltung der flüssige Grenzschicht der Lunge, das sogenannte Surfactant, wird  Cholin benötigt. Daher führt ein Cholinmangel auf kurz oder lang wahrscheinlich zu einem zusätzlichen, eigenständigen Grund für die CF-Lungenerkrankung. Die Lunge benötigt Cholin für die Bildung von Phosphatidylcholin zum Erhalt und die Reparatur des Gewebes. Im Cholinmangel wird Phosphatidylcholin aus der Lunge vermehrt zur Versorgung der Leber exportiert und steht den Lungenzellen nicht mehr zur Verfügung. Das mag die chronisch entzündete Lunge nicht!

Könnte es eine Lösung geben?

Nun wurde auf dem diesjährigen Scientific Meeting des Mukoviszidose Instituts vom 19.-20.09. eine sogenannte Kasuistik vorgestellt (Fallbeispiel). Eine Patientin mit schwerer Hepatomegalie (Lebervergrößerung), die mit einer Leberverfettung einherging (Fettanteil >10%) unterzog sich der gleichen Therapie wie die 10 Patienten der genannten Pilotstudie. Das Abstract des Fallbeispiel findet sich hier.

Die Ergebnisse auf einen Blick:

 

Der Abstract

Cholin-Ergänzung zur Behandlung schwerer Hepatosteatose bei einer heterozygoten CF-Patientin

Apl.Prof. Dr. med. Dr. rer. physiol. Wolfgang Bernhard

übersetzt von Kai-Roland Heidenreich

Einführung

Bei Patienten mit Mukoviszidose (CF) führt die exokrine Pankreasinsuffizienz zu erheblichen Verlusten von Cholin durch den Stuhl. Cholin ist ein essentieller Nährstoff und Bestandteil des Parenchyms, mit streng regulierten Gewebekonzentrationen in Form von Phosphatidylcholin (PC) & Sphingomyelin (SPM). Daher ist ein ausreichender Cholinstatus für die Organfunktion unerlässlich. Cholinmangel bei CF ist auf die hohe Sekretionsrate von hepatischem Phosphatidylcholin (PC) über die Galle und die Dysfunktion seines enterohepatischen Zyklus aufgrund von Pankreasphospholiase A2 (pPLaseA2) Mangel zurückzuführen. Organe mit hohem Cholinumsatz, wie Leber und Lunge, sind aufgrund ihrer Rolle bei der Gewebefunktion und -regeneration am stärksten von einem solchen Mangel betroffen. Hintergrund dafür ist die Rolle von Cholin/PC für die Membranbildung und – putativ – seine Rolle bei der Apoptose über Ceramide, nämlich die Sphingomyelinsynthese aus Ceramiden und PC.
Demnach korrelieren Plasmacholin- und PC-Konzentrationen mit der Lungenfunktion und den systemischen Entzündungsparametern. Daher haben wir in einer Pilotstudie die Wirkung der Cholinsupplementierung (3x1g Cholinchlorid) auf Cholinvorrat, Lungenfunktion und Leberfett untersucht. Die Behandlung führte zu einer normalisierten Plasmacholinkonzentration (10-15 vs. 6μM), einer Verbesserung von ppFEV1 (von 70(51-75)% auf 78(60-84)% (p<0,05) und einer Verringerung des Leberfetts von 1,6(0,4-8,8)% auf 0,8(0,6-1,2)% (p<0,01). Basierend auf diesen Ergebnissen haben wir eine 23 Jahre alte CF-Patientin (F508del/del exon 17a+17b) mit schwerer Hepatomegalie & Steatose & beginnender Fibrose mit Cholin ergänzt.

Methoden

Die Cholin-Supplementierung wurde mit 3g Cholinchlorid pro Tag in Form von 3x4ml einer 25%igen Lösung erreicht, gelöst in 250ml Saft zusammen mit regelmäßigen Mahlzeiten. Die Einhaltung der Vorschriften wurde routinemäßig durch telefonische Visiten überprüft, und der erste regelmäßige Besuch erfolgte nach drei Monaten. Vor und während der Behandlung wurden routinemäßige klinische Untersuchungen, Laborparameter und Leberdiagnostik mittels Magnetresonanzspektroskopie durchgeführt.

Ergebnisse

Toleranz und Einhaltung: Die Patientin berichtete von einer guten Verträglichkeit der Cholinzufuhr, mit der Ausnahme, dass patientenfreundliche Kapseln ihre Compliance während der Arbeitszeit deutlich erleichtern würden. Bei telefonischen oder klinischen Besuchen wurden keine Nebenwirkungen festgestellt. Der Patient berichtete von einer Linderung der Oberbauchbeschwerden innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der Supplementierung.

Leber

Ursprünglich war die Lebergröße 2381 ml und das Fett 28,5%. Nach drei Monaten Cholinbehandlung war das Lebervolumen auf 1921 ml gesunken, das Fett auf 8,8%, und die Leberstruktur wirkte homogener.

Klinische Chemie

Plasmacholin stieg von 1,9 auf 5,4μM (Kontrolle: 10,2+/-0,4μM; andere CF-Patienten ohne Supplementierung: 5.9+/-2.0μM) und Betain von 6.5 auf 23μM (Kontrolle: 25.6+/-9.1μM; andere CF:23.1+/-10.5mM).
Trimethylaminoxid (TMAO), ein Indikator für den bakteriellen Cholinabbau, war vor der Supplementierung hoch (16.7μM) und nach der Supplementierung (17.7μM; Kontrollen: 2.3+/-0.7μM; andere CF:5.6+/-5.3μM) hoch und deutete auf einen intestinalen Cholinabbau vor der Supplementierung, aber nicht als Ergebnis der Supplementierung hin.
HDL- und LDL-Cholesterin stiegen von 24 bzw. 59 mg/dl auf 43 bzw. 69 mg/dl. GOT/AST sank von 45 auf 24 U/l, GPT/ALT von 93 auf 47U/l, AP von 180 auf 119U/l und gGT von 57 auf 45U/l. Während der weiteren Cholinbehandlung sanken AST, GPT, AP und gGT weiter auf 16, 28, 94 & 23U/l.

Fazit

Die Daten deuten darauf hin, dass die Cholinsupplementierung in der gewählten Dosierung (2200mg/d), aufgeteilt in drei gleiche Portionen, gelöst in 250mL Volumen und zusammen mit einer Mahlzeit, gut verträglich und wirksam war, um den Cholinstatus dieses CF-Patienten zu verbessern. Die Magnetresonanzspektroskopie bestätigte die Wirksamkeit bei Hepatosteatose, verbesserte Lebertextur und parenchymale Integrität (verminderte AST, ALT, AP, gGT). Der anfänglich sehr niedrige Plasmacholinspiegel (<2μM), der eher geringe Anstieg des Plasmacholins (5.4μM statt 10-15μM wie bei anderen Patienten) und die hohen anfänglichen TMAO-Spiegel deuten darauf hin, dass die bakterielle Kolonisation des Darms, die zu einem Cholinabbau führt, bei diesem CF-Patienten ein zusätzliches Problem darstellen kann. Während in diesem Fall von einer erfolgreichen Linderung der schweren Hepatosteatose durch Cholinsupplementierung berichtet wird, ist eine weitere Erforschung zusätzlicher Faktoren, die sich auf den Cholinmangel bei CF auswirken, unumgänglich.

2 Kommentare

  1. Lieber Herr Heidenreich,
    bei aller Freude über die Wahrnehmung unserer Ergebnisse möchte ich als Arzt und Wissenschaftler nochmals darauf hinweisen, dass ich mir bei (Selbst-)Heilversuchen die Anbindung der CF-Patienten an eine kompetente Mukoviszidose-Ambulanz wünsche.
    Die Cholinbehandlung sollte nicht ohne Kenntnis des behandelnden Kollegen bzw. Kollegin, immer mit Bestimmung des Cholinspiegels in einem geeigneten Labor und nicht ohne Dokumentation der üblichen Befunde vor, während und nach Cholineinnahme durchgeführt werden.
    Es ist darüberhinaus unser grundsätzliches, übergeordnetes Ziel, den Nutzen dieser Behandlung in kontrollierten randomisierten Studien zu objektivieren.

  2. Lieber Herr Prof. Bernhard,

    ich freue mich über Ihren Hinweis.

    Je kontrollierter die Einnahme durchgeführt wird, umso besser sowohl für den Patienten als auch für die Erkenntnisgewinnung. Am Anfang von Allem steht jedoch die Wahrnehmung.

    Nur EIN Beispiel: Die heute gängige Inhalation mit hypertoner anstatt physiologischer Kochsalzlösung brauchte wirklich viele Jahre zur Einführung in die klinische Praxis, obwohl schon Anfang der 2000er starke Hinweise auf eine Wirksamkeit erfolgt waren. Viele Patientenschicksale wurden durch die so zögerliche Durchsetzung negativ beeinflusst! Wir reden von ganz bitteren Konsequenzen.

    Mit dem Cholin und einigen anderen Dingen verhält es sich mutmaßlich genauso. Offensichtlich funktionieren die Strukturen skandalös unzureichend. Hinzu kommt, dass viele Ambulanzen aufgrund des Arbeitsanfalls (und hin und wieder auch Frusts?) „keinen Nerv“ haben, sich mit solchen Sachen auseinanderzusetzen. Das ist bittere Realität. Was soll man dann aus Patientensicht tun?

    Wie viele Menschen mit CF und einer Leberzirrhose werden nicht einmal davon erfahren, dass es diese (doch zumindest hoch verträgliche) Substanz gibt, die in viel zu geringem Maßstab ja auch in der Nahrung vorzufinden ist?

    Es gibt also ein Spannungsfeld zwischen Evidenzforderung und wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung (etwa über die exakte Pathogenese) und Patientenwohl. Gerade bei den kleinen Fallzahlen ist EBM in meinen Augen ein ganz fragwürdiges Instrument. Es ist eine schwierige Debatte – aber hier reden wir von einer Nahrungsergänzung.
    Ich danke Ihnen und Ihrer Arbeitsgruppe jedenfalls sehr für diesen herausstechenden Beitrag zum deutlich vertieften Verständnis der CF-Lebererkrankung und dem Querbezug zur Lungenerkrankung. Sie fanden ja Hinweise, dass die Lungenerkrankung eben nicht nur auf den visköseren Schleim in der Lunge allein zurückzuführen ist, sondern der zweite Faktor die cholinabhängige Surfactant-Grenzschicht-Produktion zu sein scheint.
    Wichtig ist der nächste Schritt: wie erkennt man am besten Patienten, die von der Supplementation profitieren?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*