Studie: Weniger Kaftrio gut bei „Mental Health“-Problemen

Vorbemerkungen

Bei dem Großteil der deutschsprachigen CF-Vorsorgenden wird die bloße Existenz neuropsychiatrischer oder psychischer Probleme unter der Rubrik „nie davon gehört“ verbucht.

Das Bitten und Flehen betroffener Personen oder ihrer Eltern um den gemeinsamen Versuch einer Dosisreduktion, kann dann mit Bemerkungen abgetan wie „Das lassen wir bei einem solch teuren Medikament nicht zu“ oder „Das ist off-label!“. Und das, obwohl im Zulassungstext ausdrücklich von einer Dosierempfehlung gesprochen wird.

Nun aber werden diese Dinge auch im wissenschaftlichen Diskurs endlich beim Namen genannt: einerseits durch aktuelle Arbeiten wie dem im März 2023 erschienenen Review des international renommierten Prof. Burkard Tümmler oder auch die unten besprochene irische Studie. Nun wird nach Wegen im Dilemma gesucht zwischen der häufig wunderbar guten Wirkung der Dreifachkombination gegen die Folgen der CF auf der einen Seite und inakzeptablen Anwendungsproblemen auf der anderen Seite.

In Tümmlers Review zeigten sich zumindest Hinweise darauf, dass etwa ab dem zweiten Jahr der Behandlung die Lungensituation nicht mehr ganz so gut ist. Diese Tatsache verstärkt den Zielkonflikt – besonders bei Gründen, die eine Dosisreduktion der ETI-Medikation (Kaftrio) erfordern würden.

Die unten gemachte Aussage, es gäbe bei Dosisreduktion keinen Verlust der klinischen Wirksamkeit, wurde im bisherigen Beobachtungszeitraum der Studie (bis zu 3 Monate nur!) gemacht. Das werden erst größere Studien bestätigen, wahrscheinlich aber für viele Betroffene eher widerlegen.

Daher könnte man alles in allem derzeit geneigt sein, zu sagen: Packt den Inhalator und die hypertone Kochsalzlösung lieber nicht zu weit weg!

Im Text wird die Vermutung begründet, das zugrundeliegende Problem könne in den Substanzen Elexacaftor oder Tezacaftor zu finden sein, da einige Teilnehmende vorher das Ivacaftor bzw. die Kombination von Ivacaftor und Lumacaftor gut vertragen hatten.

Wir sehen allerdings in unserer CF-Community (dem mittlerweile größten – natürlich unwissenschaftlichen* – Erfahrungsschatz!) auch Fälle, wo bei schweren (anfallsartigen, beinahe psychotischen) Nebenwirkungen, das alleinige Weglassen der abendlichen Ivacaftor (Handelsname Kalydeco) zu einem sofortigen Verschwinden der Problematik führten. Evtl. resultiert diese Merkwürdigkeit (denn Ivacaftor befindet sich ja auch in der Morgendosis) aus einem Zusammenwirken der komplexen metabolischen Abläufe bei allen drei Substanzen, die sich auch gegenseitig beeinflussen. Aber das ist selbstverständlich eine möglicherweise unzutreffende, auf jeden Fall spekulative Mutmaßung.

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*damit können wir schon lange gut leben. Wissenschaft ist einfach schwierig bei einer komplexen Stoffwechselstörung wie CF, bei der ja selbst bei gleicher CF-genetischen Ausgangslage die Verläufe sehr, sehr unterschiedlich sein können, auch bei Geschwistern! Jeder Mensch ist anders, besonders bei CF.

Kommen wir zum Bericht über die Studie.

Quelle / Übersetzung ohne Gewähr

Patienten mit psychischen Problemen profitieren von niedrigerer Kaftrio-Dosis

10 [Anmerkung des Übersetzers: von 126!] Studienteilnehmende entwickelten nach 4 Wochen Angstzustände, Reizbarkeit und Schlafprobleme

Bei Menschen mit zystischer CF, die über kognitive und psychische Nebenwirkungen berichten, sollte eine Dosisreduzierung von Kaftrio (Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor) in Erwägung gezogen werden, wie eine Studie in Irland nahelegt.

Bei diesen Patienten sollte die Dosierung individuell angepasst werden, um die Nebenwirkungen zu minimieren und gleichzeitig die Therapie mit dem CFTR-Modulator beizubehalten.

„Eine Dosisreduzierung führte zu einer Auflösung der selbstberichteten psychischen/psychologischen UAWs [unerwünschte (Arzneimittel)wirkung], ohne Verlust der klinischen Wirksamkeit“, schreiben die Forschenden in „Individualized approach to elexacaftor/tezacaftor/ivacaftor dosing in cystic fibrosis, in response to self-reported anxiety and neurocognitive adverse events: Eine Fallserie“, die in Frontiers in Pharmacology veröffentlicht wurde.

Verringerung der Kaftrio-Dosierung linderte psychische Gesundheitssymptome

Innerhalb von vier Wochen nach Beginn der Behandlung entwickelten 10 Teilnehmende (7,9 %) nach eigenen Angaben starke Angstzustände, Reizbarkeit, Schlafstörungen und/oder eine mentale Verlangsamung. Gleichzeitig verbesserte sich ihre Lungenfunktion und der Chloridspiegel im Schweiß – eine indirekte Messung der Wiederherstellung der CFTR-Funktion – wie in klinischen Studien beobachtet.

„Wir glauben, dass die psychischen Nebenwirkungen in unserer Kohorte mit der zusätzlichen Wirkung der CFTR-Korrektoren Elexacaftor und/oder Tezacaftor zusammenhängen könnten, da alle Patienten in dieser Untergruppe zuvor entweder Ivacaftor oder Lumacaftor/Ivacaftor erhielten“, schreiben die Forschenden.

Neun Patienten begannen das Dosisreduktionsprotokoll. Einer entschied sich, Kaftrio abzusetzen und zu Kalydeco zurückzukehren. Vier wurden zur psychologischen Unterstützung überwiesen und benötigten Medikamente gegen Angstzustände, die innerhalb von zwei Wochen abgesetzt wurden.

Bei denjenigen mit schweren kognitiven oder psychologischen Nebenwirkungen wurde die Therapie unterbrochen, bis diese abgeklungen waren, und mit einer niedrigeren Dosis wieder aufgenommen, beginnend mit einer einzigen täglichen Tablette Elexacaftor zu 100 mg, Tezacaftor 50 mg und Ivacaftor 75 mg. Die Wiedereinführung der abendlichen Ivacaftor-Dosis war nach vier bis sechs Wochen geplant, die Rückkehr zur vollen Dosis nach 10 bis 12 Wochen, wobei die klinischen Wirksamkeitsparameter, das Ausbleiben von psychischen Nebenwirkungen und die Präferenzen der Patienten berücksichtigt wurden.

Bei Patienten mit mäßigen psychischen Nebenwirkungen wurde die Dosis reduziert, die abendliche Ivacaftor-Dosis von 150 mg wurde jedoch beibehalten. Die Rückkehr zur vollen Dosis wurde ebenfalls nach 10-12 Wochen erwogen.

Das anhaltende klinische Ansprechen wurde in den ersten 12 Wochen alle vier bis sechs Wochen anhand der Lungenfunktion und der Schweißchloridwerte gemessen.

Die psychischen Probleme klangen bei den meisten Patienten innerhalb von zwei Wochen ab. Die Wirksamkeit der reduzierten Dosis war während und am Ende der 12 Wochen mit der vollen Dosis vergleichbar.

Im Einzelnen lag der mittlere ppFEV1-Wert, eine Messung der Lungenfunktion, die die Menge an Luft angibt, die in einer Sekunde kraftvoll ausgestoßen wird, nach 12 Wochen bei 83,4 % gegenüber 80,7 % bei der Volldosis Kaftrio. Der durchschnittliche Schweißchloridwert lag bei der reduzierten Dosis bei 34 mmol/l und bei der vollen Dosis bei 33,4 mmol/l.

Nach 12 Wochen blieben sechs Patienten bei der reduzierten Dosis, während drei auf die volle Dosis zurückkehrten. Bei den Patienten, die 24 Wochen lang die reduzierte Dosis erhielten, zeigte die CT-Bildgebung eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den Patienten vor Beginn der Behandlung mit Kaftrio.

Diese Ergebnisse zeigen, dass einige Patient:innen die volle Standarddosis der CFTR-Modulator-Therapie nicht vertragen. Bei kleinen Gruppen von Patienten, die Nebenwirkungen entwickeln, muss die Dosierung individuell angepasst werden“, so die Forschenden.

Mukoviszidose wird durch Mutationen im CFTR-Gen verursacht, das Anweisungen für die Herstellung des CFTR-Proteins liefert, das als „Tor“ auf der Oberfläche bestimmter Zellen fungiert und den Ein- und Ausfluss von Chloridionen (einer Art Salzpartikel) reguliert. Diese Mutationen führen dazu, dass CFTR fehlt oder nicht richtig funktioniert.

CFTR-Modulatoren wirken auf diese Ursache bei Menschen mit bestimmten Mutationen ein. Kaftrio – in den USA unter dem Namen Trikafta vertrieben – ist eine Dreifach-Kombinationstherapie von Vertex Pharmaceuticals, die sich in klinischen Versuchen und realen Studien als wirksam erwiesen hat. Einige Patienten, die CFTR-Modulatoren erhalten, entwickeln jedoch psychische und kognitive Probleme.

In dieser Studie führten die Forschenden ein Protokoll zur Dosisreduzierung bei Patienten mit selbstberichteten mentalen oder psychologischen Problemen ein.

Für Erwachsene oder Personen, die mindestens 30 kg wiegen, enthält jede Kaftrio-Tablette in Europa 75 mg Ivacaftor, 50 mg Tezacaftor und 100 mg Elexacaftor. Die empfohlene Tagesdosis für diese Patienten beträgt zwei Tabletten am Morgen und eine Ivacaftor-Tablette (150 mg) am Abend.

Das Protokoll zur Dosisreduzierung basierte auf einer klinischen Phase-2-Studie (NCT03227471), die ein klinisches Ansprechen auf niedrigere Elexacaftor-Dosen zeigte.

Die Behandlung mit Kaftrio in voller Dosis wurde bei 126 Erwachsenen mit Mukoviszidose eingeleitet, die zwischen Oktober 2020 und Mai 2021 das Cork Centre for Cystic Fibrosis in Irland besuchten. Die Patienten hatten keine früheren Berichte über Angstzustände und Depressionen und nahmen vor der Umstellung auf Kaftrio andere CFTR-Modulatoren ein – fünf erhielten Kalydeco (Ivacaftor), fünf Orkambi (Lumacaftor/Ivacaftor).

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